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Leute!

Wir arbeiten ja alle fleißig an einer Konsenskultur, indem wir in Workshops und darüber hinaus daran erinnern, dass wir körperliche Zuneigung nicht für selbstverständlich nehmen; dass wir nicht einfach von irgendwelchen Vorannahmen ausgehen, was der andere will; dass wir persönliche Grenzen respektieren und einander dabei unterstützen, selbstbestimmt und in kollaborativen Prozessen herauszufinden, was man Unanständiges zusammen anstellen möchte; dass wir vor allem dann in die Hingabe gehen können, wenn wir Schutzräume des Vertrauens schaffen; dass ein „Nein“ kein Drama sondern ein wertvoller Hinweis für das Navigieren durch die Lovezone ist und und und. Das ist ja alles ein Riesenprojekt, ja ein humanistisches Bildungsprojekt wenn man so will, weil hier viel mehr auf dem Spiel steht, als sich bloß juristisch vertragsähnlich abzusichern, wenn man zusammen intim wird, um sich vor Vorwürfen der Übergriffigkeit zu wappnen. Hier geht es ja vielmehr um die Dekonstruktion paternalistischer Strukturen, um neue Selbst- und Weltverhältnisse! Es geht darum zu lernen, sich zu respektieren, andere zu respektieren, herausfinden was man wirklich will, es nicht nur anderen Recht machen wollen. Es geht um Commitment und Care. Darum, ein Verständnis sowohl für strukturelle Machtverhältnisse, als auch biologische Nervensystemfunktionsweisen zu entwickeln. Achtsamer und präsenter zu werden, um wieder mehr Räume zu schaffen, die endlich mal nicht der neoliberalen Alltagslogik entsprechen: dem souveränen Funktionieren und auf-der-Hut-sein-Müssen, dem Kontrollieren, Optimieren, linear ein Ziel verfolgen, sich abkapseln von anderen. Um Räume des vertrauten und mutigen Verletzlichseindürfens zu schaffen, des Auspowerns, Vollgasgebens, Explorierens, Erfindens, Öffnens und Dableibens im Ambivalenten und Uneindeutigen. Es geht um Empowerment und darum, solidarischer und freundlicher mit sich und Welt umzugehen. Dafür geht es auch um ein Verlernen von Verhalten, bei dem wir anderen unseren Willen aufdrücken, nur weil wir jetzt wollen und sie hinterrücks in ein „Ja“ hineintricksen, indem wir schmollen oder sie überreden und Nebelkerzen werfen.

Das alles bastelt ja an einer Welt des hoffentlich schöneren Zusammenseins, wo es mehr Raum zum Atmen für alle gibt. Und das alles ist sehr viel Arbeit.

So, und jetzt fällt auf, dass sich in unseren Alltag etwas einschmuggelt, was dieses ganze Projekt korrumpiert. Vielleicht ist es nur eine Kleinigkeit. Vielleicht ist das aber auch ein tagtägliches und scheinbar unmerkliches pawlowsches Training, auch wenn es ein bisschen nach Verschwörungstheorie klingt.

Ihr kennt das bestimmt: Ihr wollt auf eine Website, eben schnell einen Artikel lesen. Doch das Bild wird versperrt von dem Hinweis zu Cookies-Einstellungen. Mega creepy heißt es da, dass ihnen meine Privatsphäre wichtig sei. Aber sie pushen mich möglichst da hin, dass ich alles akzeptiere und sage: „Ja! Nimm mich! Ganz!“ Und ich will einfach nur den Artikel lesen. Also klicke ich halt einfach auf den naheliegenden Button. Genau, den bunten und fett markierten, da wo meine Aufmerksamkeit automatisch hingeht und der aussagt: „Du willst es doch auch! Klick hier: Alles erlauben! Alles! Ich hab schon für dich die Auswahl getroffen und hier überall ein Häkchen dran gemacht…“. Ich denke nicht weiter drüber nach, ich will es ja einfach nur schnell hinter mich bringen, um dann in Ruhe diesen Artikel lesen zu können.

Ja, ich hatte eine Wahl. Ich hätte auch Nein sagen können.

Manchmal mache ich mir auch die Mühe und nehme mir Zeit, mich auf die Suche zu machen, scrolle mühsam runter, auf „Weitere Optionen“ oder „Einstellungen“, checke die Häkchen, gehe auf den nur blassen und kaum erkennbaren Button „nur notwendiges“, der neben „ALLES ERLAUBEN!“ steht.

Meistens bin ich allerdings leichtfertig und gehe ganz automatisch auf das mir nahegelegte „Ich akzeptiere“.

Und dann höre ich einen Podcast über Consent, in welchen Frauen interviewt werden die erklären, wann sie „Ich akzeptiere“ zu einer sexuellen Interaktion sagten, obwohl sie a) nicht wirklich Bock drauf hatten aber b) auch nicht zu einem „Ja“ gezwungen wurden, also eigentlich auch hätten „Nein“ sagen können. Sie sagen, dass sie halt mitmachten, weil man halt mitmacht. Es passiert dann einfach. Die Option einfach zu Verneinen ist gar nicht präsent. Manche sagen, es kam ihnen zu anstrengend oder komisch vor, sich aus der Situation rauszureden. Und dass es die andere Person ja verletzen könnte, ihr einen Korb zu geben. Man lerne eher zuzustimmen, als abzusagen und dadurch womöglich eine Szene zu machen, unbequem für andere zu sein. Viele sagten, dass es einfacher war, einfach schnell die Nummer hinter sich zu bekommen um dann ihre Ruhe zu haben.

So wird das nix!

Beata Absalon

Beata erforscht als Kulturwissenschaftlerin “andere Zustände”, wie Gebären, Trauerarbeit, Hysterie, Schlaf, radical happiness & collective (kill-)joy oder sadomasochistische Praktiken. Nachdem sie zunächst untersuchte, wie Seile in aktive Passivität versetzen können – durch Bondage, aber auch im Marionettenspiel oder politischen Aktivismus –, promoviert sie derzeit über erfinderische Formen der Sexualbildung. Ihr theoretisches Interesse speist sich aus der Praxis, da sie sich und andere gerne in ekstatische Zustände versetzt – am liebsten undogmatisch: Flogging mit Lederpeitsche oder einem Bündel taufrischer Minze, Halten mit Seil oder Umarmung, Spielen mit aggressivem Kuscheln oder liebevoller Erniedrigung, Fließenlassen von Wörtern oder Spucke. Zu tun, was aus der Norm und dem Alltäglichen fällt, kann Angst machen und gleichzeitig ungeheuer lustvoll sein. Workshops und Sessions gestaltet Beata als Erfahrungsräume für Grenzwanderungen, auf denen Grenzen überschritten und gefunden werden, vage und wagemutige Phantasien gemeinsam erkundet, ein eigener Stil entstehen darf.

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Wie lässt sich eigentlich noch so in sogenannten sexpositiven Räumen spielen und geht es da eigentlich um Sex oder nicht eigentlich auch um was anderes, aber wie nennt man denn das?

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Selfhelp Zine für die Zeit NACH einem aufregendem Workshop